30.03.2023
Marion Vöhr, Prokuristin und Sales Director bei msg Plaut Austria, im Gespräch mit report.at über Handlungsfelder in der Ära der Digitalisierung, neue Veränderungen durch KI-Lösungen und alte Rollenbilder in der IT.
Ihr Unternehmen beschäftigt sich mit Digitalisierungslösungen – wie haben sich die Erwartungen dazu zuletzt verändert?
Marion Vöhr: Durch die Pandemie wurde ein Umdenken ausgelöst. Die Akzeptanz für Digitalisierung ist teilweise aus der Not heraus enorm gestiegen. Die Anwender*innen sind ungeduldiger als je zuvor und sehen es als selbstverständlich, alles sofort und unabhängig von ihrem Aufenthaltsort erledigen zu können. Auf Unternehmensseite müssen jedoch Skalierbarkeit und Governance, insbesondere hinsichtlich Security, weiterhin an vorderster Stelle stehen. Auch wenn man dadurch die TikTok-verwöhnte Generation auf eine Geduldsprobe stellt. Die Grundlagen für die Digitalisierung von Prozessen wurden spätestens mit der Pandemie geschaffen. Die Voraussetzungen für Innovationen und Optimierungen in Unternehmen sind daher nun großteils gegeben.
Der nächste logische Schritt ist jetzt der Mut zur Veränderung, Potenziale zu identifizieren und diese zu nutzen – in Hinblick auf Effizienzsteigerung zum Beispiel durch KI- und IoT-Anwendungen oder skalierbare Cloud-Lösungen.
Sie setzen mit Ihrem Team auf digitalen Humanismus – was verstehen Sie darunter?
Vöhr: Es bedeutet die Berücksichtigung ethischer Aspekte und Regelwerke mit dem Fokus auf den Menschen – zum Wohle des Einzelnen, aber auch des Unternehmens – bei der Digitalisierung. Der Mensch muss durch Digitalisierung unterstützt werden und nicht umgekehrt. Besonders im Bildungs- und Gesundheitsbereich gibt es hier noch riesiges Potenzial. Im gleichen Atemzug müssen wir auch über Nachhaltigkeit sprechen. CSR ist fester Bestandteil unseres Beratungsangebots. Gemeinsam mit unseren Kund*innen entwickeln wir Lösungen, um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Was sind neben Nachhaltigkeit und Effizienz die dringendsten Handlungsfelder in der IT?
Vöhr: Unternehmen beschäftigt sehr stark der Fachkräftemangel. Es gilt, Mitarbeiter*innen frühzeitig zu binden, auf die Bedürfnisse verschiedener Generationen einzugehen, Weiterbildungsmöglichkeiten und ein ansprechendes Arbeitsklima sicherzustellen. Dann hat die wachsende Abhängigkeit von digitalen Technologien die Bedrohung durch Cyberkriminalität massiv erhöht. Der Schutz von Unternehmen und Behörden vor Cyberangriffen ist unerlässlich – auch um das Vertrauen in die fortschreitende Digitalisierung zu wahren.
Vor einer richtiggehenden Revolution aber stehen wir im Bereich der künstlichen Intelligenz. Das hat sich durch die beeindruckenden Fähigkeiten von ChatGPT innerhalb kürzester Zeit nicht nur in der IT-Branche herumgesprochen. Momentan wird es noch als Spielerei und Hausaufgabenschreiber eingesetzt, aber die Möglichkeiten der Monetarisierung werden bald folgen.
Wird in manchen Bereichen die menschliche Arbeitskraft durch KI abgelöst werden?
Vöhr: Wenn es um Routinetätigkeiten geht, sehe ich da großes Potenzial – beispielsweise in der Logistik mit der Optimierung von Lieferketten und Zustellung durch autonome Fahrzeuge und Drohnen. Im Kundenservice und IT-Helpdesk unterschiedlichster Unternehmen begegnen uns bereits Chatbots – und das ist erst der Anfang. KI unterstützt in Softwareentwicklung bei der Prüfung von Code auf Fehler und in der Medizin werden KI-Algorithmen bereits unterstützend bei der Bildanalyse in der Radiologie eingesetzt. Enormes Potenzial gibt es auch im juristischen Bereich bei der Analyse von Sachverhalten und für entsprechende Handlungsvorschläge.
KI wird uns in unserem täglichen Alltag unterstützen, uns aber nie vollständig ersetzen. In diesem Zusammenhang ist laufende Weiterentwicklung für uns Menschen besonders wichtig, und zum Teil wird auch eine Umschulung in manchen Bereichen notwendig sein. KI kann digitale Kunstwerke produzieren oder Musikstücke komponieren. Aber um wirklich kreativ zu sein, fehlt der Technik die menschliche Vorstellungskraft, die auf Erfahrungen und Emotionen basiert. Auch erfordern menschliche Kommunikation und Interaktionen komplexe soziale und emotionale Fähigkeiten, die eine KI nicht abdecken kann. Und in technischen Systemen können Entscheidungen auf Grundlage von Algorithmen getroffen werden – aber es fehlt die moralische Urteilsfähigkeit und Ethik, die das menschliche Handeln ausmacht.
Welche Unternehmen sind hinsichtlich ihrer Innovationskraft am erfolgreichsten? Was ist der Schlüssel zum Erfolg?
Vöhr: Zunächst braucht es einen Impuls, damit die Kreativität zu Innovation entstehen kann. Dazu ist eine Unternehmenskultur erforderlich, die Gestaltungsspielraum bietet und Teamwork fördert. Hier geht es oft auch um Raum für Innovation abseits des klassischen Arbeitsumfelds.
Der zweite notwendige Baustein ist die konsequente Umsetzung von Innovationen, bei der aber ebenso weiche Faktoren zählen: der Mensch und die Veränderungsfähigkeit auch in der Organisation. Der organisatorische »Change« ist dringend erforderlich, um Menschen weiterzuentwickeln und mitzunehmen. Schließlich ändern sich Berufsbilder, Tätigkeiten, Kundenanforderungen und Mitarbeiterbedürfnisse laufend.
Wie begegnet Ihr Unternehmen dem Fachkräftemangel?
Vöhr: Wir legen großen Wert auf ein attraktives Arbeitsumfeld, auf umfassende Weiterbildungsmöglichkeiten und die Förderung der jungen Mitarbeiter*innen. msg Plaut setzt stark auf einen flexiblen Gestaltungsspielraum rund um »New Way of Work«. Darüber hinaus haben wir Schwerpunkte zu den Themen Nachhaltigkeit, Sinnstiftung und ESG (Anm. Environment, Social, Governance). Wir bieten spannende Projekte, um unseren Mitarbeiter*innen eine erfüllende Tätigkeit zu ermöglichen, auf die sie stolz sein können.
Und wir fördern insbesondere Frauen, auch um das Potenzial dieser Hälfte des Arbeitsmarktes besser auszuschöpfen. Durch gezielte Trainings haben wir unseren Frauenanteil auf 33,8 Prozent steigern können – für die IT-Branche ist das ein relativ hoher Wert. Dieser Anteil soll weiter gesteigert werden und dazu setzen wir intern auch stark auf Frauen in Führungspositionen und in Vorbildfunktionen.
Im Bereich Ausbildung haben wir eine Firmenpartnerschaft mit der Fachhochschule Technikum Wien, wo ich selbst im Alumni-Beirat tätig bin. Wir fördern gezielt junge Talente, vergeben Praktika-Plätze und nehmen auch Dualstudent*innen auf.
Wie leben Sie selbst den "New Way of Work"?
Vöhr: Ganz offen gesagt, ist es ein täglicher Balanceakt, damit ich beruflich erfolgreich und zeitgleich eine glückliche Mutter für meinen Sohn, der vier Jahre alt ist, sein kann. Die Flexibilität meiner Arbeitszeiten und Arbeitsorte haben es mir ermöglicht, nach einer kurzen Karenzzeit wieder einzusteigen. Auch das Vertrauen in meine Mitarbeiter*innen ist mir wichtig – anders würde es auch nicht funktionieren. Das Büro ist zur Begegnungszone geworden. Mein Team und ich treffen uns regelmäßig persönlich bei einem gemeinsamen Kaffee und dem »Ameisenkuchen« meines Sohnes, der bei uns im Team zum Ritual geworden ist.
Welchen Herausforderungen sind Sie auf Ihrem Weg in die IT in der Ausbildung und im Beruf begegnet?
Vöhr: Sowohl mein Vater als auch meine Mutter waren selbstständig tätig. Mir wurden wirtschaftliches Denken und Eigenantrieb praktisch in die Wiege gelegt. Nach der HAK-Matura mit Fokus auf Wirtschaftsinformatik war das Vertiefen dieses Fachwissens an der FH Technikum Wien ein logischer Schritt. Als Absolventin einer wirtschaftlichen Schule wird man von den Technikern zuerst kritisch beäugt und tatsächlich ist mir der Einstieg in das Wirtschaftsinformatik-Studium nicht so leicht gefallen, wie Kolleg*innen mit HTL-Hintergrund. Auch der Frauenanteil im Studiengang war damals gering. Umso mehr bin ich darauf stolz, mich hier bewiesen zu haben. Schon in meinem ersten Vorstellungsgespräch wurde ich über SQL-Statements befragt und habe gleich mit einer fundierten Antwort überzeugt. Nach jahrelanger Tätigkeit in einem internationalen Konzern bin ich mittlerweile seit mehr als acht Jahren bei msg Plaut und als Prokuristin und Sales Director Teil des Managements.
Jungen Menschen empfehle ich, jede Möglichkeit eines Ferialjobs oder Praktikums zu nutzen. Neben der unersetzlichen Praxiserfahrung sind diese ersten Berührungspunkte mit Unternehmen auch gute Türöffner.
Welche Erfahrungen haben Sie in Hinblick auf Rollenbilder in der Technik?
Vöhr: Frauen mit einem technischem Background müssen laufend ihre Kenntnisse unter Beweis stellen – das war auch bei mir nicht anders. Auch wenn mich mein Arbeitgeber dazu immer unterstützt hat, ist es ein täglicher Balanceakt, Karriere und Kind unter einen Hut zu bringen. Aus dieser Erfahrung heraus ist es eine Herzensangelegenheit für mich, Frauen zu fördern und als Mentorin sowie Coachin zu unterstützen. Die IT ist eine attraktive und vielfältige Branche mit viel Innovationspotenzial, Krisensicherheit und überdurchschnittlichen Verdienstmöglichkeiten.
Was sollte Ihrer Meinung noch getan werden, um den Gendergap zu verkleinern?
Vöhr: Vor allem müssen wir die Vorurteile abbauen. Jeder kennt das Bild vom introvertierten Nerd. Dieses Bild ist längst überholt, da in der IT im Regelfall in Teams gearbeitet und auch soziale Kompetenz benötigt wird. Auch die Medien sollten verstärkt Frauen adressieren und die vielen verschiedenen technischen Berufsbilder transportieren.
Gerade in der IT-Branche sind frauenfreundliche Arbeitsplätze möglich – mit flexiblen Arbeitszeiten und -orten, dem Fokus auf Teamwork, persönlichen Entwicklungsmöglichkeiten und bei Bedarf auch Teilzeitarbeit. Auch sollten Mütter in Führungspositionen unbedingt gefördert werden, denn die Erfahrung aus der Kindererziehung ist für die Mitarbeiterführung gewinnbringend. Mütter führen aus meiner Sicht wertschätzend, kombiniert mit Weitblick, Zielorientierung und nachhaltiger Denkweise.
Was unternimmt Ihr Unternehmen bei der Ansprache von Frauen in technischen Berufen?
Vöhr: msg Plaut ist förderndes Mitglied der Initiative WomeninICT des Verbands Österreichische Software Innovation. Wir engagieren uns dort mit Vorträgen und in einem Mentoring-Programm für Frauen, die in der IT Fuß fassen wollen. Im eigenen Unternehmen haben wir ein internes Mentoring-Programm, um Mitarbeiterinnen zu unterstützen.
Für den Nachwuchs setzen wir uns beim Wiener Töchtertag ein sowie auf Hochschulen wie beispielsweise der Fachhochschule Technikum Wien. Neben dem Fokus auf Praktikumsplätze in der dualen Ausbildung nehmen wir an der Ausbildungsinitiative »Fresh Faces« des Softwareherstellers SAP teil.
Seit Februar 2022 ist unser Unternehmen mit dem Gütesiegel equalitA zertifiziert. Es ist ein Nachweis für Chancengerechtigkeit, Gleichstellung, Frauenförderung und Fairness im Unternehmen.
Prokuristin und Sales Director bei msg Plaut Austria
Erschienen auf report.at, am 28.3.2023