11.07.2024
Im Rahmen des CEO Dialogs zum Thema „Digitaler Humanismus in der Medizin“ am 13. Juni hielt Univ. Prof. Markus Müller der Med-Uni Wien einen Impulsvortrag, der die tiefgreifenden ethischen und technologischen Entwicklungen in der Medizin beleuchtete.
Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Georg Krause, der in seinen Eröffnungsworten betonte, dass Ethik in der Medizin eine herausragende Rolle spielt und die Wirtschaft viel von diesen ethischen Standards lernen kann. Beispielsweise hob er hervor, Ethikboards in Unternehmen zu etablieren, wie es in der Medizin bereits lange der Fall ist. Dies sei ein wichtiger Schritt, um auch in der Wirtschaft eine bewusste und ethisch fundierte Entscheidungsfindung zu fördern.
In seinem Impulsvortrag diskutierte Prof. Müller die hochkomplexen und ethischen Fragen, die sich durch die Integration von Künstlicher Intelligenz in die Medizin ergeben. Dabei stellte er grundsätzliche Fragen des Mensch-Seins: „Was ist der Mensch?“ und verwies auf Robert Trappl, der sich bereits 1969 mit Informatik und Künstlicher Intelligenz beschäftigte und den Wunsch des Menschen zur Selbstvergöttlichung thematisierte.
Er führte aus, dass die Medizin, ähnlich wie die Wissenschaften von Kopernikus, Darwin und Freud, eine vierte Kränkung des menschlichen Egos durch die KI erlebe. „In China hat ein mit KI gefütterter Roboter das ärztliche Examen bestanden“, führte Müller an und unterstrich, dass die Leistungsfähigkeit der KI in vielen Bereichen die des Menschen übertrifft.
Die Reduktion und das Verständnis des Lebens als Informationsprozess standen ebenfalls im Mittelpunkt. Mit Telemedizin und innovativen Gadgets, die selbst mit einem iPhone Ultraschalluntersuchungen ermöglichen, zeigt sich der praktische Nutzen der Digitalisierung. Doch Müller stellte auch kritische Fragen zu Bewusstsein, Intelligenz und Leben, verwies auf den bedeutenden Einfluss von KI und Digitalisierung auf diese fundamentalen Aspekte des Mensch-Seins.
Eine aktuelle Umfrage zeigt, dass Patient:innen Ärzt:innen allein mehr vertrauen als Ärzt:innen mit KI-Unterstützung. Dies unterstreicht die Notwendigkeit, das Vertrauen in KI in der Medizin zu stärken. Dennoch sieht Müller die Zukunft der Medizin in einer patientenzentrierten Versorgung, die durch KI und digitale Tools humaner gestaltet werden kann. In Wien entsteht derzeit neben dem AKH ein Zentrum für personalisierte Medizin, das eine auf das Individuum abgestimmte Versorgung mittels moderner digitaler Möglichkeiten in einer hoch digitalisierten Umgebung gewährleistet.
Dr. Georg Krause und weitere Diskussionsteilnehmer:innen wie Manfred Ofner (Prinzhorn) und Michael Heinisch (Vinzenzgruppe) beleuchteten die Vorbehalte und das Potenzial der KI. Heinisch warnte vor einem zu starken Verlassen auf die Technologie und betonte die Wichtigkeit zwischenmenschlicher Beziehungen in der medizinischen Versorgung. Müller wies darauf hin, dass durch den Einsatz von KI wertvolle Zeit gewonnen werde, die für menschliche, “human-to-human" Interaktionen genutzt werden könne.
Der Impulsvortrag und die anschließende Diskussion zeigten, dass Digitaler Humanismus in der Medizin nicht nur eine Frage der Technik, sondern auch eine ethische Herausforderung ist, die ein sensibles Gleichgewicht zwischen Fortschritt und Menschlichkeit erfordert. Technologie, so Müller, soll den Menschen nicht ersetzen, sondern unterstützen und bereichern.