25.04.2024
Verfälschte Daten verschmutzen die Demokratie
Im Rahmen des CEO-Dialogs zum Thema „Digitaler Humanismus im Vergaberecht“, mit dem renommierten Vergaberechtexperten Martin Schiefer, moderiert von Georg Krause, wurde in den Räumen der Kanzlei Schiefer die Bedeutung einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern bei öffentlichen Ausschreibungen intensiv diskutiert, damit humanistische Werte und Prinzipien als Richtschnur für beide Seiten in Projekten verankert und umgesetzt werden.
Die Vorreiterrolle der öffentlichen Vergabe
Martin Schiefer hob die Bedeutung der öffentlichen Vergabe hervor, die mit einem Volumen von 40 Milliarden Euro jährlich einen bedeutenden Hebel für die Durchsetzung ethischer Prinzipien darstellt. Er betonte: „Durch die Verankerung dieser Prinzipien in Ausschreibungen kann der öffentliche Sektor eine Vorreiterrolle einnehmen.“ Krause verwies diesbezüglich auf die in der „Deklaration von Gent“ (Erklärung der Verwaltungsspitzen der EU-Staaten, Feb. 2024) definierte Vorbildrolle des öffentlichen Sektors bei der die Umsetzung ethischer Prinzipien.
Durch die Integration ethischer Standards in das Vergabewesen wird nicht nur die Qualität der öffentlichen Dienstleistungen verbessert, sondern auch ein wichtiger Beitrag zur Förderung einer verantwortungsvollen Unternehmenskultur geleistet. „Nachhaltige Innovationen, die unsere Grundrechte respektieren, müssen gefördert werden, während solche, die sie verletzen, vermieden werden sollten“, erklärte Schiefer. Dieser Punkt wurde als wesentlich für die Erhaltung der Glaubwürdigkeit und des Vertrauens in digitale Prozesse gesehen.
Schiefer warnte vor den Risiken der Digitalisierung, insbesondere der Gefahr durch gefälschte Daten, die die Demokratie verschmutzen können. „Es bedarf effektiver Schutzmaßnahmen, um die Integrität unserer demokratischen Institutionen zu bewahren“, betonte er.
Vergabe neu gedacht: Mehr als nur der Preis
Martin Schiefer betonte, dass eine Ausschreibung nicht ausschließlich nach Preisentscheidungen geführt werden sollte. Vielmehr müsse eine holistische Betrachtung der Angebote im Vordergrund stehen, die sowohl ethische Kriterien als auch langfristige Partnerschaften und nachhaltige Ziele berücksichtigt. „Vergaben müssen so gestaltet sein, dass sie über den finanziellen Aspekt hinausgehen und Unternehmen bevorzugen, die nachweislich ethische Standards und europäische Werte unterstützen“. Eine tiefere Integration ethischer Überlegungen in das Vergaberecht würde dazu führen, dass nicht nur der günstigste Anbieter gewählt wird, sondern jener, der nachhaltige und verantwortungsbewusste Lösungen anbietet. Dies schließt Faktoren wie faire Arbeitsbedingungen, Datenschutz und den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen ein. Für eine effektive Umsetzung dieser Prinzipien sind klare und transparente Bewertungskriterien erforderlich, die über die üblichen technischen und finanziellen Aspekte hinausgehen. Schiefer schlug vor, Kriterienkataloge zu entwickeln, die ethische Aspekte und Umweltverträglichkeit explizit bewerten.
Förderung ethisch agierender Unternehmen
Um Unternehmen, die hohe ethische Standards erfüllen, im Vergabeprozess stärker zu berücksichtigen, könnte eine Zertifizierung eingeführt werden, die diese Standards dokumentiert und öffentlich macht. „Durch solche Zertifizierungen könnten Unternehmen, die in ethischen Belangen führend sind, einfacher identifiziert und bevorzugt behandelt werden“, führte Schiefer aus. Als Beispiel brachte Krause den IEEE/ISO 7000 Standard für Value based Systems Engineering, der definiert, wie die Berücksichtigung von Werten entlang der Phasen eine IT-Projekts erfolgen kann.
Des Weiteren könnten Anreize geschaffen werden, die Unternehmen belohnen, die sich durch nachhaltiges und ethisch verantwortungsvolles Handeln auszeichnen. Dies könnte durch Steuervorteile, öffentliche Anerkennung oder bevorzugten Zugang zu weiteren öffentlichen Mitteln erfolgen. Letztlich wäre eine umfassende Reform des Vergaberechts erforderlich, um die neuen Kriterien und Bewertungsmaßstäbe rechtlich zu verankern. Solch eine Reform würde die Bedeutung ethischer Überlegungen im öffentlichen Sektor stärken und könnte als Modell für private Sektoren dienen.
Bewusstsein und Maßnahmen gegenüber Digitalisierungsrisiken
Abschließend wurde die Bedeutung des Bewusstseins für Risiken betont, die mit Digitalisierung und künstlicher Intelligenz einhergehen, und die Notwendigkeit, proaktiv Maßnahmen zu ergreifen, um diese zu mitigieren. Schiefer appellierte an die Verantwortung der ausschreibenden Stellen, sich der Risiken bewusst zu sein und entsprechende Anforderungen bei den Ausschreibungen zu verankern. Das ist auch mit dem heutigen Ausschreibungsrecht bereits umfassend möglich.